Title    Die aktuelle Bedeutung des interkulturellen Ansatzes von Prof. Dr. Song Du-Yul / MWI
  Name freesong Date 2003-11-24 04:36:39 Hit 1674

Die aktuelle Bedeutung des interkulturellen Ansatzes von
Prof. Dr. Song Du-Yul

Das Missionswissenschaftliche Institut Missio e. V., das sich um die interkulturelle Forschung in Theologie und Philosophie, insbesondere in der suedlichen Hemisphare der Erde, sowie um die Forderung des interkulturellen Dialogs bemueht, hat Prof. Dr. Song Du-Yul aufgrund seiner interkulturellen Kompetenz um seine Mitarbeit beim Forschungsprojekt zur Entwicklung einer interkulturellen Philosophie in Asien gebeten.

Prof. Song, gebuertiger suedkoreanischer Staatsbuerger, kam vor 35 Jahren nach Deutschland, um sein Studium der Philosophie, Soziologie und Wirtschafts- und Sozialgeschichte fortzusetzen. Nach seiner Promotion 1972 lehrte er an den Universitaeten in Frankfurt, Heidelberg, Muenster und Berlin. Er habilitierte 1982. Song war Gastprofessor an verschiedenen Universitaeten in den USA und an der Humboldt-Universitaet Berlin. Zurzeit ist er apl. Professor an der Universitaet Muenster. Er ist Autor und Herausgeber von neun in deutscher Sprache und zehn in koreanischer Sprache erschienenen Buechern. Aufgrund seines Engagements fuer die Demokratie und Menschenrechte waehrend der Militardiktatur in Suedkorea sowie seiner Bemuehungen um eine Versoehnung zwischen Sued- und Nordkorea war es ihm 36 Jahre lang nicht moeglich, in seine Heimat zurueckzukehren. Angesichts der ihm aufgezwungenen Exilsituation ließ er sich 1993 in die Bundesrepublik einbuergern. Dabei verlor er seine koreanische Staatsangehoerigkeit.

Prof. Song, der sich selbst als ein "Grenzganger" bezeichnet, widmete sein ganzes Leben einem aufrichtigen interkulturellen Miteinander ueber kulturelle, nationale und ideologische Grenzen hinaus. Bei den zahlreichen wissenschaftlichen und politischen Projekten, die er verwirklichte, scheinen uns zwei Aspekte von besonderer Bedeutung zu sein:

(1) Die interkulturelle philosophische Verstaendigung zwischen Ost und West zieht sich wie ein roter Faden durch sein wissenschaftliches (philosophisches, soziologisches und geschichtliches) Werk. Angefangen mit seiner von Prof. Dr. Juergen Habermas betreuten Dissertation Die Bedeutung der asiatischen Welt bei Hegel, Marx und Max Weber (1972) hat er sich immer wieder um diese Verstaendigung verdient gemacht. Vor allem die Monographien Metamorphosen der Moderne. Betrachtungen eines Grenzgangers zwischen Asien und Europa (1990) und Schattierungen der Moderne. Ost-West-Dialoge in Philosophie, Soziologie und Politik (2002) spiegeln weitere Ergebnisse auf diesem Weg wider.

In diesen Schriften gelingt es ihm, die verborgene, den Europaern und Europaerinnen nicht leicht zugaengliche Tiefe der asiatischen Welt und des asiatischen Denkens zu offenbaren, indem er die Bedeutung der Philosophie und das weitere Erbe der Kultur des Westens wuerdigend interpretiert. Dadurch schafft er eine Basis fuer einen authentischen, tiefgehenden, keineswegs oberflaechlichen Ost-West-Dialog. Angesichts der heut-gen Situation, in der der "Kampf der Kulturen" und das "Ende der Geschichte" die Stichworte der Epoche darstellen, zeichnet sich seine Arbeit durch eine alternative Vision vom Miteinanderleben aus. Diese Vision entwickelt er sowohl aus der oestlichen Philosophie (I-Ging, Laotse, Buddhismus) heraus als auch im Dialog mit den europaeischen Denkern und Denkerinnen.

Auch seine Mitarbeit an der Zeitschrift <Peripherie. Zeitschrift fur Politik und Oekonomie in der Dritten Welt>, am Projekt Cultural Identity and Political Self-Determination in Global Society (Lit-Verlag), sowie am Forschungsinstitut Dritte Welt / Industrielaender in der Adolf-Reichwein-Gesellschaft (Osnabruck) ist Ausdruck seiner kompetenten Bemuehungen um eine internationale Verstaendigung.

(2) Er setzte sich mutig fuer eine Versoehnung zwischen Sued- und Nordkorea ein, ein Konfliktherd, der seit fast 60 Jahren auch heute noch vom zugrunde liegenden System des Kalten Krieges bestimmt wird. Von besonderer Tragweite ist sein Projekt, ein regulares Dialogforum der Wissenschaftler aus Sued- und Nordkorea sowie aus dem Ausland zum Thema Frieden und Wiedervereinigung Koreas in Zusammenarbeit mit den Partnern in Sued- und Nordkorea zu organisieren. 1995 kam die erste Konferenz in Form eines intensiven Workshops in Beijing zustande. Im Maerz 2003 fand die sechste in Pyongjang statt. Dieses Forum von Experten, die, ohne auf der Regierungsebene angesiedelt zu sein, gleichwohl einen direkten Einfluss jeweils auf die suedkoreanische oder nordkoreanische Regierungspolitik ausueben koennen, ist in diesem Umfang einmalig. Die Ergebnisse der ersten fuenf Konferenzen (1995-1999) waren wohl die wissenschaftliche Vorbereitung zur Gemeinsamen Erklaerung des innerkoreanischen Gipfeltreffens vom 15. Juni 2000 gewesen.

Außerordentlich wichtig ist seine Rolle in der heutigen Zeit, in der ein direkter Kontakt zwischen Sued- und Nordkorea, nicht nur in institutioneller Hinsicht, kaum moglich ist. Prof. Song hat sich mit beiden Teilen Koreas intensiv auseinander gesetzt. Er entwickelte methodologisch einen "immanenten Ansatz" fuer die Forschung Nordkoreas und diskutierte hermeneutische Bedingungen fuer den Umgang mit dem Anderssein Nordkoreas. Er versteht sich als ein "ausschließender und einschließender Dritter" und nimmt angesichts der Situation der "Mauer im Kopf¡° der Dialogpartner, die Jahrzehnte lang jeweils mit dem Feindbild lebten, die Rolle eines Vermittlers im besten inhaltlichen Sinne wahr. Seine vermittelnden Bemuehungen um den Frieden in Korea wurden im Jahre 2000 von der Nutbom Gedenkstiftung in Seoul durch die Verleihung des "Nutbom-Preises fuer die Wiedervereinigung¡° gewuerdigt.

Sein Engagement fuer die Versoehnung zwischen Sued- und Nordkorea hat jedoch eine weitere, universale Bedeutung, die sich nicht auf diese Region beschraenken lasst. Auf einer Grenze stehend, Grenze der gespaltenen Heimat, Grenze zwischen dem Osten und dem Westen, zwischen dem reichen Norden und dem armen Suden, zwischen der Tradition und der Moderne, zwischen der Moderne und der Postmoderne , ist seine Philosophie staendig auf der Suche nach einer Versoehnung bzw. einem angemessenen Umgang mit der Spannung. Auf die aktuellen Herausforderungen der Welt seit dem 11. September 2001 versucht er seine Philosophie als Alternative anzubieten, in der der Andere nicht als Feind gesehen wird. Sein Selbstverstaendnis als "Grenzgaenger¡° hat ihn nicht in traurige Resignation gefuehrt. Im Grenzgaengerdasein steckt ein Potenzial, einen "dritten Ort¡° zu schaffen und von dort aus die Rolle des "exklusiven und inklusiven Dritten" einzubringen.

Auch die "immanente" Herangehensweise an das Verstehen des Anderen hat eine Bedeutung, die weit ueber die Problematik der innerkoreanischen Beziehungen hinausgeht. Es ist ein zentrales Anliegen interkultureller Philosophie, die Moeglichkeit des ebenbuertigen, freundlichen und friedlichen Miteinanders mit dem Anderen philosophisch zu begruenden. Dabei spielt der Umgang mit der 'Differenz¡¯ des Anderen eine Schluesselrolle. Die "immanente¡° Annaeherung, die Prof. Song vorschlagt, ist ein Weg, den Anderen in der Andersheit bzw. seiner Eigenheit bei bleibender Differenz zu verstehen.

Es ware sehr zu wuenschen, dass Prof. Song auch in Zukunft die Moeglichkeit hat, seine philosophischen Ansaetze weiterzuentwickeln. Daraus wird gewiss eine Form von Philosophie entstehen, die in der Zeit der Globalisierung angesichts der Gefahr des Uniformierungsdranges dringend erforderlich ist.

Missionswissenschaftliches Institut Missio, e. V.


Ich schließe mich der obigen Petition an.

Bremen, den 15. Oktober 2003

(gez.) Prof. Dr. Hans Jorg Sandkuhler, Universitaet Bremen
Mitglied des internationalen Beirates des 18. Mai Institutes der Chonnam Universitaet
Leiter der Abteilung Bremen des UNESCO-Lehrstuhls fur Philosophie (Paris):
Wissenskulturen, Transkulturalitat, Menschenrechte

(gez.) Prof. Dr. Raul Fornet-Betancourt, Universitaet Bremen
Herausgeber von Concordia. Internationale Zeitschrift fur Philosophie




LETTER TO THE EDITORS OF:
OUR STAND IN THE PROF. SONG INCIDENT
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| Action Committee for Release of Prof. Du-Yul Song and Freedom of Thought and Conscience
(founded on 13th November in Seoul, Southkorea)
/ Korean Progressive Network 'JinboNet' |